Haben Sie sich jemals gefragt, wie unerwartete finanzielle Belastungen Ihre Steuersituation beeinflussen können? Außergewöhnliche Belastungen sind steuerliche Sonderausgaben, die unter bestimmten Umständen geltend gemacht werden können. Dieser Artikel erklärt, welche einmaligen Aufwendungen als außergewöhnliche Kosten anerkannt werden und wie Sie diese steuerlich nutzen können. Erfahren Sie, wie Krankheitskosten, Pflegeaufwendungen und andere unvorhergesehene Ausgaben Ihre Steuerlast reduzieren können.
Definition und rechtliche Grundlage
Das Einkommensteuergesetz bildet die rechtliche Basis für außergewöhnliche Belastungen. In Paragraf 33 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes findet sich die genaue Definition. Diese ist entscheidend für die steuerliche Anerkennung der Kosten.
Zwangsläufigkeit der Aufwendungen
Ein wichtiges Kriterium für außergewöhnliche Belastungen ist die Zwangsläufigkeit. Aufwendungen gelten als zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen nicht entziehen kann. Das Finanzamt prüft genau, ob die Ausgaben wirklich unvermeidbar waren.
Gründe für die Anerkennung
Es gibt drei Hauptgründe für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen:
- Rechtliche Gründe: Gesetzliche Verpflichtungen oder gerichtliche Anordnungen
- Tatsächliche Gründe: Unabwendbare Ereignisse wie Krankheiten oder Naturkatastrophen
- Sittliche Gründe: Moralische Verpflichtungen, die gesellschaftlich erwartet werden
Seit 2013 gibt es Änderungen in der Berechnung und Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen. So fallen etwa Scheidungskosten nicht mehr darunter. Der Bundesfinanzhof trifft regelmäßig Entscheidungen zu Krankheitskosten und anderen Aufwendungen, die die Auslegung des Gesetzes beeinflussen.
Arten von außergewöhnlichen Belastungen
Außergewöhnliche Belastungen können in verschiedenen Lebenssituationen auftreten. Unvorhergesehene Ausgaben führen oft zu einer finanziellen Belastungssituation. Eine typische Sondersituation sind Krankheitskosten.
- Arztkosten und Medikamente
- Hörgeräte und Brillen
- Rollstühle und andere Hilfsmittel
- Akupunktur und Heilpraktikerbehandlungen
- Verordnete Massagen
Pflegekosten stellen eine weitere Form außergewöhnlicher Belastungen dar. Diese umfassen Ausgaben für häusliche Pflege, Pflegeheime oder Pflegestationen. Für Personen, die Angehörige unentgeltlich pflegen, gibt es einen Pflege-Pauschbetrag.
Beerdigungskosten können ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Dabei werden Ausgaben berücksichtigt, die den Nachlasswert übersteigen.
In besonderen Fällen zählen auch Kosten für Augenoperationen zur Fehlsichtigkeitskorrektur oder Wohnungsumbauten aufgrund einer Behinderung zu den außergewöhnlichen Belastungen. Nach unabwendbaren Ereignissen wie Brand oder Hochwasser können Wiederbeschaffungskosten anfallen.
Unterhaltskosten und Ausbildungsfreibeträge für volljährige Kinder gelten als besondere außergewöhnliche Belastungen. Diese sind im Gesetz einzeln aufgeführt und durch Pausch- oder Höchstbeträge begrenzt.
Krankheitskosten als häufigste Form
Krankheitskosten stellen die am häufigsten auftretende Form außergewöhnlicher Belastungen dar. In Härtefällen können diese Kosten zu erheblichen finanziellen Belastungen führen, weshalb Steuererleichterungen eine wichtige Rolle spielen.
Arztkosten und Medikamente
Selbst getragene Arztkosten und Ausgaben für Medikamente sind steuerlich absetzbar. Dies gilt auch für Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Rollstühle. In manchen Fällen können sogar alternative Heilmethoden berücksichtigt werden, sofern sie ärztlich verordnet wurden.
Fahrtkosten zu medizinischen Behandlungen
Fahrtkosten zu medizinischen Behandlungen zählen ebenfalls zu den absetzbaren Aufwendungen. Dies kann besonders in ländlichen Gebieten oder bei häufigen Therapiesitzungen eine spürbare Entlastung darstellen.
Zuzahlungen für nicht erstattete Leistungen
Zuzahlungen für Leistungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, können als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Dies betrifft oft Zahnersatz, Brillen oder bestimmte Therapieformen.
Das BMF hat die Anweisung zur vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei Krankheits- und Pflegekosten aufgehoben.
In Ausnahmesituationen, wie bei chronischen Erkrankungen oder kostenintensiven Behandlungen, können diese Regelungen eine bedeutende finanzielle Entlastung bieten. Es ist ratsam, alle Belege sorgfältig aufzubewahren und sich bei komplexen Fällen professionelle Unterstützung zu suchen.
Pflegekosten und Pflegeheimkosten
Pflegekosten stellen eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Bei Pflegebedürftigkeit können diese Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Dies gilt für die häusliche Pflege und die Unterbringung im Pflegeheim.
Für die steuerliche Anerkennung müssen Betroffene in die Pflegegrade 1 bis 5 eingestuft sein. Die Pflegebedürftigkeit ist durch entsprechende Bescheinigungen nachzuweisen. Wichtig: Pflegekosten müssen um Erstattungen von Versicherungen oder anderen Stellen reduziert werden.
Bei der häuslichen Pflege gibt es den Pflege-Pauschbetrag. Dieser beträgt je nach Pflegegrad zwischen 600 und 1.800 Euro pro Jahr. Der Anspruch besteht, wenn die Pflege unentgeltlich erfolgt und die gepflegte Person mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist.
Alternativ können die tatsächlich angefallenen Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Bei dieser Entscheidung sollten die zumutbare Belastung, der Familienstand und andere steuerliche Aspekte berücksichtigt werden.
Tipp: Aufwendungen, die nicht als zumutbare Belastung abgezogen werden, können oft als haushaltsnahe Dienstleistungen berücksichtigt werden.
Bei Unterbringung in Pflegeheimen ist zu beachten, dass die Haushaltsersparnis abgezogen wird. Im Jahr 2020 betrug diese 9.408 Euro für das Gesamtjahr. Die anrechenbaren Kosten für außergewöhnliche Belastungen in Seniorenheimen variieren je nach individuellen Faktoren wie Einkünften und Familienstand.
Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung
Beerdigungskosten können unter bestimmten Umständen als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden. Dies gilt besonders, wenn die Bestattungskosten nicht aus dem Nachlass oder der Erbschaft bestritten werden können.
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung
Für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung müssen die Beerdigungskosten zwangsläufig sein. Das Finanzamt prüft, ob die Kosten angemessen sind und in einem vernünftigen Verhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verstorbenen stehen. Seit 2003 gilt eine Angemessenheitsgrenze von 7.500 Euro für abzugsfähige Bestattungskosten.
Umfang der absetzbaren Kosten
Zu den steuerlich anerkannten Bestattungskosten zählen:
- Arzthonorar für Leichenschau
- Sarg und Sterbehemd
- Gebühren für Grabstätte
- Kosten für Bestattungsunternehmen
- Überführungen
- Trauerfeier und musikalische Gestaltung
Nicht absetzbar sind Ausgaben für Trauerkleidung, Bewirtung von Trauergästen oder Reisekosten für Angehörige. Grabpflegekosten gelten nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen und sind somit nicht abzugsfähig. Bei überschuldetem Nachlass oder Nachlassverbindlichkeiten kann die Zwangsläufigkeit der Beerdigungskosten in der Regel verneint werden.
Wichtig: Steuerpflichtiges Sterbegeld schließt die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nicht aus.
Wiederbeschaffungskosten nach Katastrophen
Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Unwetter können erhebliche Schäden verursachen. Bei einem unabwendbaren Ereignis lassen sich Wiederbeschaffungskosten für Hausrat und Kleidung als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Dies gilt besonders für existenziell wichtige Bereiche.
Die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen zeigt die Dimension solcher Ereignisse. Fast 200 Menschen verloren ihr Leben, und die Schäden gingen in die Milliarden.
Für Betroffene gibt es steuerliche Erleichterungen. Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Möbeln, Haushaltsgegenständen und Kleidung sowie Schäden am selbst genutzten Haus können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden.
- Versicherungsleistungen und öffentliche Beihilfen müssen gegengerechnet werden
- Das Schadensrisiko darf nicht durch eine zumutbare Versicherung abdeckbar sein
- Eine Elementarversicherung gilt nicht als übliche Versicherungsmöglichkeit bei Flutschäden
Bei der Geltendmachung von Elementarschäden ist zu beachten, dass die zumutbare Belastung zwischen 1 und 7 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte liegt. Dies hängt von Einkommen, Familienstand und Kinderzahl ab.
Für vermietete Immobilien gelten andere Regeln: Hier sind Schäden als Werbungskosten abzugsfähig. Arbeitnehmer können zudem Freibeträge für monatliche Lohnsteuerabzüge beim Finanzamt beantragen.
Eine Hausratversicherung deckt in der Regel nicht alle Schäden ab. Daher ist es wichtig, im Schadensfall die Möglichkeit der steuerlichen Absetzung zu prüfen und zu nutzen.
Zumutbare Belastung und Berechnung
Die zumutbare Belastung spielt eine wichtige Rolle bei der steuerlichen Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen. Sie wird anhand des Einkommens, des Familienstands und der Kinderzahl ermittelt.
Staffelung nach Einkommen und Familienstand
Seit Juni 2017 gilt ein neues Berechnungsverfahren für die zumutbare Belastung. Es berücksichtigt den Gesamtbetrag der Einkünfte in drei Stufen:
- Stufe 1: bis 15.340 Euro
- Stufe 2: bis 51.130 Euro
- Stufe 3: über 51.130 Euro
Die Einkommensgrenze und der Familienstand bestimmen den Prozentsatz der zumutbaren Belastung. Dieser liegt zwischen 1% und 7% des Gesamtbetrags der Einkünfte.
Beispielrechnung für ein Ehepaar mit Kindern
Ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Jahreseinkommen von 52.000 Euro hat eine zumutbare Belastung von etwa 1.415 Euro. Nur Kosten, die diesen Betrag übersteigen, können als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden.
Die neue Berechnungsmethode führt zu einer niedrigeren zumutbaren Belastung und ermöglicht einen höheren Steuerfreibetrag. Das Finanzamt berechnet diese Grenze automatisch bei der Erstellung des Einkommensteuerbescheids.
Die geänderte Berechnung der zumutbaren Belastung kann zu einer niedrigeren Einkommensteuer führen.
Steuerzahler profitieren von dieser Änderung durch einen potenziell höheren Abzug außergewöhnlicher Belastungen. Für eine genaue Ermittlung der zumutbaren Belastung stehen online Rechner zur Verfügung.
Besondere außergewöhnliche Belastungen
Besondere außergewöhnliche Belastungen unterscheiden sich von allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen. Sie beziehen sich auf Kosten für Angehörige wie Kinder, Ehepartner oder Eltern, denen Unterhalt geschuldet wird.
Bei diesen Belastungen gibt es keine zumutbare Belastungsgrenze. Stattdessen werden Pauschbeträge oder Höchstbeträge angewendet. Das bedeutet, dass die Kosten ab dem ersten Euro steuerlich wirksam sind.
- Der Ausbildungsfreibetrag für volljährige Kinder in Berufsausbildung
- Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung
- Pflege-Pauschbeträge für Pflegepersonen
- Unterhaltskosten für Angehörige
Der Behindertenpauschbetrag variiert je nach Grad der Behinderung. Er kann zwischen 384 € und 7.400 € pro Jahr betragen. Für die Pflege von Angehörigen stehen unter bestimmten Voraussetzungen Pflege-Pauschbeträge zur Verfügung.
Es ist wichtig zu beachten, dass nur selbst getragene Kosten für die Steuervergünstigung relevant sind. Erstattungen oder Zuschüsse müssen abgezogen werden. Die genaue Höhe der Ausgaben für besondere außergewöhnliche Belastungen hängt von individuellen Umständen ab.
Außergewöhnliche Belastungen
Bei der Steuererklärung spielen außergewöhnliche Belastungen eine wichtige Rolle. Das Finanzamt unterscheidet zwischen allgemeinen und besonderen Belastungen. Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf den möglichen Steuerabzug.
Allgemeine außergewöhnliche Belastungen
Allgemeine Belastungen unterliegen einer zumutbaren Belastungsgrenze. Nur Kosten über dieser Grenze sind absetzbar. Dazu gehören oft Krankheitskosten wie Hörgeräte, Brillen oder Zuzahlungen zu Medikamenten. Auch alternative Heilmethoden können anerkannt werden.
Besondere außergewöhnliche Belastungen
Bei besonderen Belastungen gelten Pausch- oder Höchstbeträge. Hier zählt jeder Euro, ist aber durch diese Beträge begrenzt. Ein Beispiel ist der Pflege-Pauschbetrag für unentgeltliche häusliche Pflege. Dieser kann ohne Ausgabenbelege beansprucht werden.
Die steuerliche Behandlung unterscheidet sich somit deutlich. Bei der Steuererklärung ist es wichtig, die Art der Belastung korrekt einzuordnen. So kann der maximale Steuerabzug erreicht werden. Im Zweifelsfall hilft eine Beratung beim Finanzamt, die richtige Kategorie zu finden.
Nachweis und Geltendmachung in der Steuererklärung
Für die steuerliche Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen ist die korrekte Dokumentation entscheidend. Die Anlage Außergewöhnliche Belastung in der Steuererklärung dient als Grundlage für die Geltendmachung dieser Kosten.
Steuerpflichtige müssen verschiedene Belege sammeln, um ihre Ausgaben nachzuweisen:
- Rechnungen für medizinische Behandlungen
- Ärztliche Bescheinigungen
- Amtsärztliche Gutachten bei bestimmten Therapien
- Rezepte für Medikamente
Bei chronischen Erkrankungen genügt oft eine einmalige Vorlage der Verordnung. Für spezielle Krankheitskosten sind laut § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung besondere Nachweise erforderlich.
Die Formulare für die Steuererklärung enthalten spezielle Felder für außergewöhnliche Belastungen. Hier werden beispielsweise Krankheitskosten, Pflegeaufwendungen oder Beerdigungskosten eingetragen. Es ist wichtig, alle relevanten Ausgaben aufzulisten und die entsprechenden Belege bereitzuhalten.
Tipp: Sortieren Sie Ihre Belege nach Kategorien und erstellen Sie eine Übersicht. Das erleichtert die Eintragung in die Steuererklärung und beschleunigt eine mögliche Prüfung durch das Finanzamt.
Durch sorgfältige Dokumentation und korrekte Nutzung der Anlage Außergewöhnliche Belastung können Steuerpflichtige ihre steuerliche Situation optimieren und von möglichen Entlastungen profitieren.
Aktuelle Rechtsprechung und Entwicklungen
Das Steuerrecht unterliegt stetigen Veränderungen, wie aktuelle Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigen. Diese Entscheidungen prägen die Handhabung außergewöhnlicher Belastungen im deutschen Steuersystem maßgeblich.
BFH-Urteile zu Krankheitskosten
Der BFH hat in mehreren Urteilen die Absetzbarkeit von Krankheitskosten präzisiert. Ein wichtiges Urteil betrifft die Verteilung hoher Krankheitskosten auf mehrere Jahre, die laut BFH nur in atypischen Ausnahmefällen möglich ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Gesundheitsausgaben genau zu dokumentieren und zeitnah geltend zu machen.
Änderungen in der Berechnung seit 2013
Seit 2013 erfolgt die Berechnung der zumutbaren Belastung stufenweise, was für Steuerpflichtige vorteilhafter ist. Diese Gesetzesänderung ermöglicht es, einen größeren Teil der außergewöhnlichen Belastungen steuerlich geltend zu machen. Der steuerliche Grundfreibetrag lag im Jahr 2019 bei 9.168 €, was bei der Berechnung zu berücksichtigen ist.
Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen (9 K 28/23) hat Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, wenn sie die Existenzgrundlage gefährden. Dies liegt vor, wenn ein Verlust von mindestens 85% des ertragbringenden Vermögens droht. Die Revision dieses Urteils ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 22/24 anhängig und könnte das Steuerrecht weiter prägen.